Geschichte


Giesing – Vom Dorf zum Stadtteil

Wo alles anfing

Die Bodenfunde beweisen es: Giesing und Harlaching sind die älteren Geschwister der Stadt München. Bereits vor fast 4000 Jahren waren diese Gebiete besiedelt. Im Bereich des ehemaligen Dorfzentrums Giesings um die Hl. Kreuz Kirche herum sind bis dato aber keine Spuren menschlichen Lebens aus vorchristlicher Zeit entdeckt worden. Zu lange ist dieses Gebiet schon überbaut. Alle Funde, die in die Zeit vor dem 6. Jahrhundert nach Chr. datiert werden, stammen aus Harla­ching, wo erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Bebauung begonnen wurde.

Abb. 1: Blick von Harlaching über die Isar. Im Vordergrund der Gutshof Harlaching und die St. Anna Kirche, dahinter das Gebiet des heutigen Tierparks Hellabrunn mit der Tierparkbrücke über die Isar. Aufnahme 1903 (Archiv Freunde Giesings)

Die ältesten Spuren und Überreste der ersten echten Giesinger:innen fand man 1899 in der Baugrube für die Wohnhäuser Tegernseer Landstraße 68-72 (heute Tegernseer Platz 1-4) in 50 Einzelgräbern. Leider wurden sie ohne Untersuchungen zerstört. Anders im Herbst 1914 beim Bau der Ichoschule an der Ichostraße. Hier wurden 253 weitere Gräber entdeckt mit Skeletten von Männern, Frauen und Kindern aller Altersstufen und vielerlei Grabbeigaben.

Dieser frühmittelalterliche Friedhof, den Funden zufolge rund 150 Jahre als Grablege benützt, liegt inner­halb des heutigen Straßendreiecks Tegernseer Landstraße-Ichostraße-Silberhornstraße auf dem damals noch unbe­bauten Riegeranger. Die ersten Bestattungen dort konnten auf ca. 580 nach Chr. datiert werden. Der gesicherte Anfang Giesings kommt also auf das stattliche Alter von rund 1441 Jahren. Aus der Zahl der Gräber ergibt sich für das damalige Dorf Giesing eine Einwohnerzahl von etwa 50 bis 70 Menschen, ein durchschnittlich großes Dorf für jene Zeit.

Bei den toten Frauen wurden Perlenschmuck aus Ton, Glas, Bernstein und Amethyst sowie Zierbronzescheiben, Metallknöpfe, Ohrringe und Kämme gefunden und bei den Männern verschiedene Waffen und Rüstungsteile. Die Funde aus diesen Gräbern sind von der „Prä­historischen Staatssammlung München“ gebor­gen worden und werden zum Teil im Münchner „Museum für Vor- und Frühgeschichte“ ausgestellt. Leider ist dieses Museum noch bis 2023 wegen Renovierung geschlossen.

Der Ortsname „Giesing“ erscheint in schriftlichen Quellen erstmals in einer Urkunde, die während der Amtszeit des Freisinger Bischofs Atto in lateinischer Sprache verfasst wurde. Darin wird eine Schenkung beurkundet, in der es heißt:

„Der Priester Ihcho und sein Neffe Kerolt schenken ihr eigenes Erbgut an die Freisinger Kirche, das sie besitzen an dem Ort Kyesinga und zwar vollständig.
So geschehen am 14. Juli im Jahre 790.“

Aus dem Ortsnamen „Kyesinga“ wird geschlossen, dass Giesing wohl in merowingischer Zeit von einer Sippe mit dem Namen „Kyeso“ auf rodungsfähigem, herrenlosem Waldboden gegründet worden ist. Obwohl trotz all der Ausgrabungen und schriftlichen Zeugnisse für Giesing kein konkretes Gründungsdatum genannt werden kann, haben die Giesinger*innen 1990 mit einem großen Fest „1200 Jahre Giesing“ gefeiert.